Coronazeit – Sonntag Quasimodogeniti – 19. April 2020

Predigt: Jesaja 40, 26-31

Liebe Gemeinde,

der Name des heutigen 1. Sonntags nach Ostern lt. Kirchenkalender ist ein lateinisches Wort: Quasimodogeniti (zu deutsch: „wie die neugeborenen Kinder“), ein Wort aus dem 1. Petrusbrief 2, 2.

Gemeint ist ein Glaube, der durch die Botschaft über die Auferstehung Jesu Christi wie neu geboren wird. Dieser Glaube ist wie ein frischer Wind, der dem Schiff des menschlichen Lebens einen kräftigen Schub gibt.

Wäre das nicht unser aller Wunsch jetzt in dieser Krisenzeit? Würden wir uns nicht über einen kräftigen Schub an Positivität und Hoffnung freuen, der uns über die Zeit der Einschränkungen, der Selbstisolation und der anderen coronabedingten Belastungen helfen könnte?

Die Social Media füllen sich täglich mit positiven Impulsen und Erlebnissen der User. Das schöne Wetter trägt dazu bei, dass man ermunternde Motive von Spaziergängen in der Natur oder Bilder von Familiengrillpartys im Garten posten kann. Doch ob diese gut gemeinten und sicherlich positiv wirkenden Beiträge es schaffen, das Dunkel der aktuellen Lage zu erhellen? Was ist mit Tausenden von Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, Spaziergänge in blühender Natur zu genießen, weil sie in ihren Zimmern in Altenheimen oder ihren Wohnungen wirklich isoliert sind? Was ist mit Tausenden von Menschen, die keinen Garten besitzen, in dem sie mit Familie grillen könnten? Was wäre für sie ein kräftiger Schub an Positivität und Hoffnung in der heutigen Situation? Oder ist die tägliche Erfahrung, dass man (noch) nicht krank geworden ist, eine genügende Belohnung? Aber was, wenn man doch einer von diesen fast 150 Tausenden ist, die infiziert sind, und sich davor fürchtet, auf die Intensivstation zur künstlichen Beatmung zu müssen?

Die Menschheitsgeschichte kennt solche Situationen, auch viel schlimmere Situationen von Kriegen, Naturkatastrophen oder Pandemien mit viel mehr Opfern. Auch in der Geschichte des Volkes Israel, die die biblische Überlieferung erfasst, gab es schreckliche Zeiten. Zu solchen gehörte die Epoche der sogenannten Babylonischen Gefangenschaft. Auch wenn das Ausmaß der Tragödie, global gesehen, vielleicht nicht so umfassend war, wie mit der Corona-Pandemie, war sie für das Volk eine harte Prüfung, nicht zuletzt eine Glaubensprüfung. Gläubige Menschen fühlten sich in aussichtsloser Isolation ohne Perspektive, ohne Hoffnung. Und in dieser Situation richtet der Prophet Jesaja folgende ermutigende Worte an die Israeliten:

Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? 
Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. 
Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. 
Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

Der Prophet Jesaja (Jes 40,26-31)

Diese Worte, die für die heutige Predigt vorgeschlagen sind, scheinen auf den ersten Blick einem ermunternden Post ähnlich zu sein, den man heute auf Facebook oder Instagram findet. Auch ein Foto von herrlichem Sonnenuntergang kann von der wunderbaren Schöpfung Gottes zeugen. Aber ein Wort finde ich für die heutige Situation besonders wichtig: Das Wort „Harren“. „…die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft“ – Harren bedeutet, dass diese Kraft Gottes nicht immer dann kommt, wenn man sie gern hätte. Man braucht Geduld, Ausdauer. Und das ist leider nicht gerade Stärke unserer Zeit. Wir leben in einer Zeit, in der alles schnell gehen muss. Auf der Arbeit muss alles schnell getan und erledigt werden. Man muss effizient und gut sein. Man muss leisten. Veränderungen finden in einem Tempo statt, die sich alle Generationen vor uns nicht hätten erträumen lassen. Harren, warten – ist das nicht gerade das, was wir alle brauchen? Es ist nicht die Zeit der Kurzstreckenläufer, sonder die der Marathonläufer. Nicht die Geschwindigkeit ist entscheidend, sondern die Kontinuität, Treue, Harmonie.

Es gibt eine alte chinesische Weisheit: „Nur in einem ruhigen Teich spiegelt sich das Licht der Sterne“. Vielleicht ist gerade das, was wir nötig haben: Die Ruhe, in der wir auf Gott harren. Gott gebe uns diese Ruhe und lasse uns darin seine Kraft spüren. Und sein Friede, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.  Amen.

Dimitri Schweitz, Pastor

Gebet

Unbegreiflicher Gott,
in Jesus Christus hast Du dem Tod die Macht genommen.
Doch wir erleben, wie der Tod immer noch nach uns greift, besonders deutlich spüren wir das in dieser Krisenzeit, in der uns täglich von neuen Hunderten und Tausenden Toten berichtet wird.
Wir bitten um Deine Kraft für die, die gegen den Tod ankämpfen.
Wir bitten um Deinen Trost für die, die dem Tod ausgeliefert werden und deren Kräfte versiegen.
Wir bitten um Deine Hilfe für die, die von der Krise besonders hart betroffen sind. Nimm uns die Angst. Schenk uns Geduld.
Lass uns aufatmen, dass wir auf Dich harren im Vertrauen auf Deine Treue. Gott, führe Du uns durch diese Zeit!
Amen.